Ausgabe 4/2015
Liebe Leserin, lieber Leser,
Deutschland hat eines der leistungsstärksten aber auch teuersten Gesundheitssysteme. Dies bekräftigte der jüngst veröffentlichte OECD-Gesundheitsreport. Die Ergebnisse überraschen zwar nicht, zeigen jedoch erneut den dringenden Handlungsbedarf, v.a. im Bereich steigender Arzneimittelausgaben, auf.
Die Gesetzliche Krankenversicherung muss sparen und hierfür alle erdenklichen Sparmaßnahmen ergreifen. Etablierte Instrumente wie die Importquote in Frage zu stellen, ist kontraproduktiv. Der Import von Arzneimitteln aus der EU stellt ein effektives Sparinstrument dar und hat sich über Jahrzehnte entwickelt und ist bewehrt. Jährlich kommt es dadurch zu direkten Einsparungen von über 240 Millionen Euro aus den Preisunterschieden. Zudem führt alleine der Wettbewerbsdruck ab Markteintritt zu Minderausgaben von circa 3 Milliarden Euro im Jahr. Das Potential ist weit größer. Derzeit fehlt es jedoch an Anreizen für Apotheker, um günstige Import-Arzneimittel an PatientInnen abzugeben. Der Preiswettbewerb zwischen Importen und Originalen kommt so unterhalb eines Preisabstandes von 15 % bzw. 15 Euro nicht vollständig zum Tragen.
Hier wird Potential verschenkt. So könnten Modifikationen der Preisabstandsklausel aber auch der Mindestimportquote für Apotheker Ansätze für das neue Jahr sein, um ein höheres Einsparpotential für das deutsche Gesundheitswesen zu realisieren.
Ihr Prof. Edwin Kohl
Vorstandsvorsitzender des VAD
Expertenbeitrag von Jörg Geller
Gedanken zur Importförderung
Wirtschaftlichkeitsgebot in § 12 SGB V und Importförderung in § 129 SGB V
Import-Arzneimittel sind grundsätzlich kostengünstiger als ihre deutschen Bezugsarzneimittel. Sollte ihre Abgabe also nicht durch einen Rabattvertrag des Originals ausgeschlossen sein, wäre es grundsätzlich wirtschaftlicher, ein verfügbares ImportArzneimittel als Substitut eines Originals abzugeben. Insofern ist die Importförderung des § 129 SGB V als eine Ausgestaltung und Konkretisierung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen. Ähnliche konkretisierende Regelungen gibt es auch im generischen Bereich. Wir halten eine solche Konkretisierung auch im Sinne der Entbürokratisierung für sinnvoll, da ImportArzneimittel nicht immer verfügbar sind und es sich für Apotheken insoweit erübrigt, jede einzelne Nichtabgabe entsprechend zu dokumentieren.
Der Abstand von 15 Prozent oder 15 Euro
Bei Einführung der sogenannten Importförderung wurde lange über eine sinnvolle Höhe des maßgeblichen Preisabstands gerungen. Es ist klar, dass der Preisabstand genauso wie der Herstellerrabatt, eventuelle Konditionen an die Marktteilnehmer und ein angemessener Aufschlag für die Konfektionierungsaufgabe, die Lagerung und den Gewinn des Importeurs aus den Preisdifferenzen in Europa finanziert werden müssen. Diese sind jedoch vom Importeur nicht bestimmbar. Insofern gilt: Je höher der geforderte Preisabstand, desto weniger Länder kommen für den Einkauf in Frage. Die Ersparnis der Krankenkassen ist jedoch das Produkt aus Preisabstand und Menge. Da die Menge aber mit höherem geforderten Preisabstand sinkt, wird auch die Ersparnis der Kassen letztlich sinken. Daher plädieren Originalhersteller mit aus ihrer Sicht gutem Grund für einen hohen gesetzlichen Preisabstand zwischen Importund Bezugsarzneimittel.
Warum erhalten Patienten privater Kassen Import-Arzneimittel?
Zahlreiche Verträge sehen einen prozentualen oder absoluten Selbstbehalt vor. Privatpatienten haben daher oft ein eigenes Interesse an einer kostengünstigeren Versorgung bei gegebenem Qualitätsstandard, dem die Apotheken nachkommen. Zudem sehen die privaten Krankenversicherungen Parallelund Reimporte als Korrektiv. Vor allem bei patentgeschützten Medikamenten, die nicht in einer Festbetragsgruppe eingeordnet sind, üben Importe eine wichtige Preisdämpfungsfunktion aus.*
Import-Arzneimittel aus Sicht der Apotheken
Da Import-Arzneimittel generell günstiger sind als ihre Bezugsarzneimittel, verdient der Apotheker an der Abgabe einer Importpackung zunächst weniger. Um diesen Minderertrag bei normalpreisigen Arzneimitteln zu berechnen, muss man die Preisdifferenz mit der Summe aus dem variablen Aufschlag der Apotheke (3 Prozent) und dem Rabatt des Großhandels (durchschnittlich etwa nochmals 3 Prozent) multiplizieren. Bei einem Preisabstand von zum Beispiel 10 Euro verdient der Apotheker demnach immerhin 0,60 Euro weniger als an dem deutschen Original. Deshalb wurde die Importförderung geschaffen und vertraglich eine Importquote geregelt.
Nach unserer Kenntnis sind aus Sicht der Apothekerschaft letztlich nicht die grundsätzlichen Regelungen des § 129 SGB V problematisch, sondern die Verpflichtung aus dem Rahmenvertrag, die Importquote von 5 Prozent für jede einzelne Krankenkasse zu erfüllen. Aus unserer Sicht gibt es Ansatzpunkte zur Hebung weiterer Einsparpotenziale in der Verkürzung des gesetzlichen Preisabstandes bei gleichzeitiger Erhöhung der vertraglich vereinbarten Mindestimportquote, die jede Apotheke dann kumuliert über alle Kassen zu erfüllen hätte.
* Dr. Frank Wild (2015): Arzneimittelversorgung der Privatversicherten 2013 – Zahlen, Analysen, PKVGKV-Vergleich, S. 77 ff
Jörg Geller, Geschäftsführer der kohlpharma GmbH
Im Blickpunkt I
Deutschland nicht nur Weltspitze bei der Krankenversorgung, sondern auch bei den Arzneimittelpreisen
Deutschland gibt 30 Prozent mehr als der OECD-Durchschnitt für Arzneimittel aus. Folgt man dem aktuellen OECD-Bericht „Gesundheit auf einen Blick“ hat Deutschland eines der teuersten Gesundheitssysteme innerhalb Europas. Die Gesundheitsausgaben lagen demnach im Jahr 2013 bei 11 Prozent des Bruttoinlandproduktes und damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 8,9 Prozent.
Jährlich veröffentlicht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) neueste vergleichbare Daten zu verschiedenen Aspekten der Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme in den OECD-Ländern. Insgesamt schneidet das deutsche Gesundheitssystem gut ab. Vor allem in den Bereichen Zugänglichkeit zum Gesundheitssystem sowie Verfügbarkeiten von Krankenhausbetten erhält Deutschland innerhalb des Rankings von 34 Staaten eine gute Bewertung.
Jedoch rangierte Deutschland auch in diesem Jahr an den vordersten Plätzen in Sachen Arzneimittelausgaben: Innerhalb der EU sind lediglich in Griechenland die Arzneimittelausgaben höher als in Deutschland. Weltweit führen die USA und Japan das Ranking an.
Im vergangenen Jahr stiegen hierzulande die Ausgaben nach einer Phase der Stagnation zwischen 2009 und 2013 um etwa sieben Prozent. Die allgemeinen Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben wuchsen von 2009 bis 2013 im Schnitt dagegen nur um 2 Prozent jährlich (OECD-Durchschnitt 0,6 Prozent), 2014 nach vorläufigen Schätzungen um 2,5 Prozent.
Wie aus dem jüngst veröffentlichten Bericht hervorgeht, lagen die Arzneimittelausgaben im Jahr 2013 kaufkraftbereinigt bei 678 Dollar je Einwohner und somit knapp 30 Prozent über dem OECD-Durchschnitt von 515 Dollar je Einwohner. Im Vergleich: Die Dänen geben pro Kopf durchschnittlich 240 Dollar aus.
Was sind die Gründe für die stark angestiegenen Kosten? Einerseits sind diese in den zum Teil erhöhten Ausgaben für wenige sehr teure Medikamente begründet. So unterstreicht der aktuelle Arzneiverordnungs-Report des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO) den signifikanten Kostenanstieg. Die GKV zahlte im Jahr 2014 insgesamt 35,1 Milliarden Euro für verschreibungspflichtige Medikamente – ein Zuwachs von 9,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2013 – ein neuer Höchststand. Die Zahl der verordneten Arzneien stieg hingegen nur um ein Prozent. Diese Strukturverschiebungen am Markt werden anhand der Markteinführungszahlen deutlich: Von insgesamt 46 neu eingeführten Arzneimitteln im Jahr 2014 (doppelt so viele wie im Vorjahr) haben mindestens acht einen Packungspreis von über 10.000 Euro. Andererseits wurden die Rabatte, welche Arzneimittelhersteller den Krankenkassen für patentgeschützte Arzneimittel gewähren müssen, zum 1. April 2015 auf sieben Prozent gesenkt.
Neben demographischen Faktoren spielt darüber hinaus die Tatsache eine Rolle, dass die Deutschen vergleichsweise viele Medikamente einnehmen. So hat sich beispielsweise der Verbrauch von Antidiabetika zwischen 2000 und 2013 beinahe verdoppelt. Auch der Verbrauch von blutdrucksenkenden Mitteln ist höher als in allen anderen OECD-Ländern und dreimal höher als der österreichische. Ein weiteres signifikantes Beispiel ist der Verbrauch von Antidepressiva. Obwohl Deutschland noch etwas unter dem Schnitt der Industrieländer liegt, hat sich auch hier die Tagesdosis je tausend Einwohner beinahe verdreifacht.
Der Anfang November ver- öffentlichte Bericht mag wohl niemanden überrascht haben und erste Prognosen lassen für 2015 wieder ein moderates Wachstum erwarten. Trotz alledem zeigen die aktuellen Zahlen erneut die dringliche Notwendigkeit verlässlicher und nachhaltiger Instrumente, um die Arzneimittelausgaben auf einem für den Patienten und das System tragbaren Niveau zu halten.
Im Blickpunkt II
Skonti sind keine Rabatte – auch nicht in der Gesundheitswirtschaft
Das Landgericht Aschaffenburg hat entschieden: Die Preiskonditionen des Pharmagroß- händlers AEP verstoßen nicht gegen geltendes Preisrecht und hat die Klage der Wettbewerbszentrale daher abgewiesen. Die Urteilsbegründung: Skonti sind keine Rabatte. Theoretisch darf die gesamte Großhandelsmarge als Rabatt an die Apotheken weitergegeben werden.
Anfang des Jahres hat die Wettbewerbszentrale gegen den Großhändler AEP geklagt, da sie dessen Einkaufskonditionen für Apotheker als Verstoß gegen das Preisrecht ansah. Demnach darf ein Großhändler seinen Kunden Rabatte nur in Höhe der so genannten Großhandelsmarge von höchstens 3,15 Prozent bieten. AEP hingegen gewährte seinen Kunden auf Rx-Arzneimittel bis 70 Euro 3 Prozent Rabatt und zusätzlich 2,5 Prozent Skonto bei Zahlungen binnen einen Frist von zehn Tagen. Bei teureren Produkten sinkt der Rabatt auf 2 Prozent. Da die Wettbewerbszentrale zwischen Rabatt und Skonto keinen Unterschied macht, sei das mehr als der nach Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zulässige Höchstrabatt von 3,15 Prozent.
Dies sah das Landesgericht Aschaffenburg nun anders. Richterin Ursula Schäfer sieht sowohl kaufmännisch und buchhalterisch einen Unterschied in den Begrifflichkeiten und entschied: Bei einem Skonto, der für eine vorfristige Zahlung eingeräumt wird, handelt es sich nicht um einen Rabatt. Ein Rabatt sei ein Preisnachlass, um das Kaufverhalten zu beeinflussen. Dabei werde ein einheitlicher Angebotspreis gegen- über unterschiedlichen Kunden oder zu besonderen Anlässen angepasst. Entscheidend ist dabei laut Gericht, dass der eigentliche Preis sofort gesenkt werde, „sodass der Käufer zu einem niedrigeren Preis kauft“. Dagegen sei Skonto eine Gegenleistung dafür, dass der Kunde innerhalb von wenigen Tagen zahlt. Der Verkäufer erhöhe dadurch Liquidität und Zinsvorteile. Der Kunde – hier also der Apotheker – könne den Skonto selbst in Anspruch nehmen, wenn er innerhalb der Frist zahle. Während also der Unternehmer einen Rabatt uneingeschränkt gewährt, hängt die Inanspruchnahme von Skonti von der Bedingung der fristgerechten Bezahlung ab. Ein Skonto reduziert nicht den Verkaufspreis und ist nach Auffassung des Gerichts durch das Preisrecht nicht verboten.
Ebenfalls nicht folgen wollte das Landgericht der Argumentation, dass Groß- händler einen Rabatt nur auf seine prozentuale Marge von 3,15 Prozent, nicht jedoch auf seine 70-Cent-Fixzuschlag gewähren dürfe. Da auf der letzten Handelsstufe bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Preiswettbewerb ausgeschlossen sein soll, sei das vorrangige Ziel einheitliche Preise für Endverbraucher in den Apotheken zu schaffen.
Damit hat der Großhändler AEP die erste Runde im Skonto-Prozess gegen die Wettbewerbszentrale zwar gewonnen. Ausgestanden ist die Sache aber noch nicht. Kurz nach der Urteilsverkündung stand bereits fest, dass eine höchstrichterliche Entscheidung angestrebt wird und der Kläger daher in der nächsten Instanz in Berufung gehen wird. Die Fortsetzung folgt nächstes Jahr vor dem Oberlandesgericht Bamberg.